Es ist bereits später Nachmittag als ein Fest, wegen der Nahrungsknappheit in der Arena, angekündigt wird. Seit zwei Tagen hat Johanna nichts mehr gegessen, denn seit dem Desaster hängt an den Kirschbäumen keine einzige Kirsche mehr, und der vorherige
(Zitat Johanna) ,,beschissene Horrortag” hat sie völlig fertig gemacht. Ihre Laune könnte nicht schlechter sein.
Den ganzen Tag musste sich Ian anhören, wie Johanna das Kapitol auf der schlimmsten Art und Weise beschimpfte, während sie wild mit ihrer Axt rumfuchtelte und ihn beinahe damit traf. Ihr neuer Look, der im Kapitol für viel Aufruhr sorgte, unterstreicht ihre dermaßen schlechte Laune: Auf der Flucht vor dem Feuer hat sie sich die gesamte rechte Gesichtshälfte verbrannt, dazu ist die Hälfte ihres Kopfes nun kahl und mit Brandblasen übersät. Ihr Oberteil war völlig durchlöchert und hing nur noch an einzelnen Fäden, weshalb sie es sich vom Körper riss und den verbliebenen Stoff mit ihrer Axt zerhackte. Der Junge hat noch nie so eine enorme Wut in ihren Augen lodern sehen und beschloss ab sofort, immer einige Meter Sicherheitsabstand zu halten und sie nicht mehr direkt anzuschauen, weil sie splitternackt durch die Arena stapfte…
,,AHA”, schreit Johanna ins Blätterdach, als die Nachricht vom Fest verklungen ist, ,, SIND WIR EUCH ZU LANGWEILIG, HUH? SIND WIR DAS, IAN?!?”
Sie sieht ihn mit ihren zitternden Augen an, mit den Augen eines Irren.
Die allgemeine Angst die Ian empfindet, verdichtet sich zu unmittelbarer Angst vor dieser Frau, diesem Raubtier, das ihn in sekundenschnelle töten könnte. Ohne zu zögern dreht der Junge sich um und rennt so schnell wie möglich in die entgegengesetzte Richtung, um dem Wahnsinn von Johanna zu entkommen.
Sie wird die Kontrolle über sich verlieren, das weiß er.
Sie schreit, sie kreischt, sie brüllt. Jagt dem armen Jungen hinterher, welcher völlig außer Atem ist. Zwischen ihnen liegen keine zehn Meter und sie kommt immer näher und näher.
Als Ian spürt wie Johanna mit der Axt ausholt, duckt er sich. Die Axt zischt über seinem Kopf vorbei und landet in einem Baumstamm direkt vor ihm.
Er sprintet weiter.
Johanna lacht laut auf:,, NA, IST DAS UNTERHALTSAM GENUG, IHR WI**ER, HAHAHA, IST DAS UNTERHALTSAM GENU....”
Bevor sie den Satz beenden kann, hören beide Tribute das Zirpen, das aus unmittelbarer Nähe kommt…
Marcus und Enobaria sehen auf, nachdem zwei Kanonen ertönen und ein Hovercraft herbei geflogen kommt. Sie sind dem lauten Geschrei gefolgt, das man von weitem hören konnte, doch anscheinend kam ihnen jemand zuvor...oder etwas, denn das Hovercraft muss die Todesklaue mehrmals herabsenken um die einzelnen Körperteile abzuholen. Zerfetzte Körperteile...
Die beiden sind frustriert. Seit dem Gemetzel am Anfang haben die beiden aus 2 keinen einzigen Tribut mehr getötet, was sich wahrscheinlich sehr schlecht auf ihre Sponsoren auswirkt.
,,Ich schlage vor, wir gehen zurück zum Füllhorn und warten auf das Fest”, beginnt Marcus, doch Enobaria schüttelt den Kopf. ,,Zu gefährlich, wir sind nur noch zu zweit unterwegs.”
,,Na und? Wir können die anderen doch ganz einfach erledigen, ich mein...wir sind Karrieretribute!”
Die ältere Frau verdreht die Augen:,,Und das ist der Grund wieso die Karrieretribute nicht jedes Jahr gewinnen. Arroganz. Dummheit. Kein strategisches Handeln.”
,,Come on...es sind nur noch Schwächlinge übrig.”
,,Und dieser Schwächling aus Distrikt 12 kann dich mit einem Pfeil aus einhundert Metern töten. Also beruhig dich und vertrau mir. Ich weiß, wie wir gewinnen können.”
Enobaria lächelt komisch und zeigt ihre Reißzähne. Marcus lächelt zurück. Ich weiß auch, wie ich gewinnen kann, denkt er sich.
Obwohl es noch dunkel ist, spürt Katniss wie die Dämmerung langsam hereinbricht.
,,Enobaria und ihr Partner werden ganz sicher kommen, oder?”, fragt Dexter in die Stille, wodurch Katniss aufschrickt. ,,Shshsh!”, sie hält sich den Zeigefinger an die Lippen.
,,Ja aber mach dir keine Sorgen, wir schaffen das”, flüstert Peeta ihm zu.
Aber Dexter macht sich Sorgen. Auch wenn die Everdeens das Fest überleben, was dann? Die Spiele sind schon weit fortgeschritten, nur noch acht Tribute kämpfen um den Sieg, wobei die Karrieretribute die größte Gefahr darstellen. Sind sie erstmal aus dem Weg geräumt, hat Distrikt 12 so gut wie gewonnen, das Problem ist nur...es kann nur einen Sieger geben. Der Gedanke daran ist scheußlich.
Dexter wischt sich eine Träne aus dem Auge, er muss jetzt stark sein. Peeta und er gehen zum Fest, während Katniss ihnen Deckung gibt, das war zumindest ihr Plan, auch wenn Katniss anfangs heftig dagegen protestierte.
Wie die anderen Tribute sind sie völlig ausgehungert und sind auf das Fest angewiesen, wenn sie vorhaben, zu gewinnen. Katniss hat den Vorteil aus der Ferne töten zu können, wenn sie jedoch am Fest teilnehmen möchten, müssen sie sich direkt in das Getümmel hineinstürzen. Da die beiden besser im Nahkampf sind, ist es ihre Aufgabe dort hinzugehen.
Minuten vergehen während sich der Himmel zunehmend Orange färbt. Als die ersten Sonnenstrahlen auf das Füllhorn treffen, öffnet sich der Boden vor der Mündung des Horns und ein weißer, zierlicher Tisch fährt heraus. Darauf thront ein Buffet, welches aus Sandwiches, Obst, Fleisch und Getränken besteht.
Peeta drückt Katniss einen Kuss auf die Wange und sprintet mit Dexter los. Auf dem halben Weg sehen sie die Jungs aus Distrikt 6 und 10, aus unterschiedlichen Richtungen auf den Tisch zu sprinten. Auf halbem Weg fällt der Junge aus 10 zu Boden, ein Pfeil steckt in seinem Nacken. Er schafft es gerade noch so den Pfeil herauszuziehen, als die Kanone seinen Tod verkündet. Der andere Junge bleibt abrupt stehen als er sieht, was mit dem anderen passiert ist und realisiert, was mit ihm passieren gleich wird.
Peeta und Dexter haben den Tisch mittlerweile erreicht und stopfen sich die Taschen voll. RUMS. Die Tribute sehen sich um, jedoch erkennen sie nichts.
Währenddessen spannt Katniss den Bogen erneut und zielt auf den Tribut aus Distrikt 6, welcher nun in den Wald fliehen möchte. Als sie den Pfeil loslässt, prallt er an einer unsichtbaren Wand zurück und fliegt nur knapp an ihrem Kopf vorbei. Sie starrt verwundert in die Leere. Als sie sieht, wie der Junge aus 6 auf der anderen Seite gegen eine unsichtbare Wand prallt, reißt sie die Augen auf und schreit:,, PEETA, DEXTER!” Doch sie hören sie nicht.
Das ist nicht gut, das ist ganz und gar nicht gut, denkt sich die Siegerin. Sie wird immer hysterischer, schreit und weint und schlägt mit ihrem Fäusten immer wieder gegen die unsichtbare Wand, bis ihre Fingerknöchel anfangen zu bluten.
Inzwischen machen sich Peeta und Dexter auf den Rückweg und sehen wie Katniss verzweifelt gegen die unsichtbare Wand hämmert. Als sie bei ihr ankommen, knallt Dexter mit voller Wucht gegen die Wand, wodurch Blut aus seiner Nase schießt. Peeta kann schaut Katniss fragend und zugleich alarmiert an, kann sie jedoch nicht verstehen und versucht deshalb, ihre Lippen zu lesen.
Erfolglos.
Sie zeichnet einen Kreis mit ihren Fingern und erst dann realisieren sie, dass sie in einer Kuppel gefangen sind.
Doch dann hören sie schon das Knurren.
,,Reingelegt” ertönt es leise aus den Lautsprechern.